Menschen

Rita Huwiler

«Wir wollten ja nicht einfach Radau machen»
Rita Huwiler Weissen wurde 1956 in Ebikon bei Luzern geboren. 1984 zog sie ins Wallis und arbeite im Spital in Brig. Nach einem Aufenthalt in Nicaragua war sie als erste Geschäftsführerin der Alpen-Initiative und bei der Spitex tätig. Später hat sie eine eigene Naturheilpraxis in Brig eröffnet.

«Zwei Mal haben wir die Gotthard-Autobahn bei Wassen im Kanton Uri blockiert. Ich war beide Male dabei. Ich wurde deshalb als Wiederholungstäterin zu einer bedingten elftägigen Haftstrafe verurteilt. Nach einer Einsprache der Alpen-Initiative wurde die Strafe auf sieben Tage reduziert.

Das Gericht hielt fest, dass ich uneinsichtig bin. Auf die Frage, ob ich je wieder bei einer Blockade mitmachen würde, hatte ich offenbar mit Ja geantwortet. Aber eigentlich hatten die Richter einige Sympathien für uns. Wir wollten ja nicht einfach Radau machen, sondern wir standen für die Gesundheit der Menschen ein. Ich argumentierte, dass der Verkehr ungestraft Kinder und Erwachsene krank machen darf, ich aber dafür verurteilt werden soll, wenn ein paar Autos aufgehalten werden.

Als Krankenschwester lag mir die Gesundheit der Menschen natürlich sehr am Herzen. Der Transitverkehr hatte in den 1980er-Jahren gerade am Gotthard massiv zugenommen, aber auch an den anderen Alpenübergängen. Die erste Blockade fand zwei Jahre nach der Abstimmung über die Alpen-Initiative statt. Wir stellten fest, dass der Bundesrat den neuen Verfassungsartikel nicht umsetzen wollte. Wir mussten ein Zeichen setzen. Eine Mehrheit der Bevölkerung teilte unsere Anliegen, ich war überzeugt, dass wir etwas Sinnvolles und Gutes machen.

Bei einer Blockade – es war glaube ich die zweite – habe ich versagt, so mein Gefühl. Wir hatten abgemacht, dass wir nicht weichen, aber als dann die Polizei kam, geriet ich in Panik und liess mich abführen. Ich stieg dann zwar über ein Mäuerchen zurück auf die Autobahn, aber ich hatte mich nicht wie abgesprochen verhalten – wir wollten uns wegtragen lassen und nicht anders von der Fahrbahn weichen. Ich war wohl noch sehr obrigkeitsgläubig damals.

Die Aktionen waren jeweils bestens vorbereitet. Es wusste niemand etwas im Voraus, ausser ein paar Pressfotografen und das Fernsehen. Wir fuhren mit vier Autos und Lastwagen nach Wassen hinauf, dann verlangsamten wir und reihten uns nebeneinander auf. Als wir anhielten, kam niemand mehr an uns vorbei und wir rollten die Transparente aus, die wir im Lastwagen mitgeführt hatten. Beim zweiten Mal machte eine Rockband Musik auf der Autobahn.

Als Ober-Aktivistin der Alpen-Initiative war ich Fahrerin der Blockadeautos. Angst vor einer Verurteilung oder anderen unangenehmen Konsequenzen hatte ich nie, wir setzten uns ja für die Umwelt und die Menschen ein. Panik hatte ich nur, als die Polizisten erschienen. Nicht, weil sie uns bedrohten oder sonst wie einschüchterten. Einige waren freundlich, anderen merkte man an, dass sie verärgert waren, vielleicht auch deshalb, weil sie etwas ahnten, aber die Blockade nicht verhindern konnten. Dass ich in Panik geriet, haben die anderen wohl gar nicht mitbekommen.

Vor ein paar Jahren wollte ich die Protokolle der Gerichtsverhandlung entsorgen – das ist doch alles vorbei. Aber für meinen Mann Andreas (Weissen) hatten diese Papiere einen historischen Wert. Jetzt lagern sie weiter irgendwo bei uns. Andreas hatte mich 1989 als Geschäftsführerin der Alpen-Initiative angestellt – wenig später heirateten wir. Ich hatte in Nicaragua als Krankenschwester – heute sagt man Gesundheitsfachfrau – gearbeitet. Als ich zurückkam, wollte ich nicht mehr im Spital arbeiten, das war mir zu hierarchisch organisiert. Mich interessierte der Bereich Umweltpolitik und eine Freundin gab mir den Tipp mit der Stelle bei der Alpen-Initiative.

Als erste Geschäftsführerin der Alpen-Initiative habe ich mich sehr um die Leute in den Regionen gekümmert. Ich versuchte immer wieder, sie für Aktionen zu motivieren. Ich war dann oft selber mit dabei, das hat mir Spass gemacht. Ich hatte seinerzeit auch Unterschriften gesammelt für die Alpen-Initiative, später für Referenden und so weiter – genug für dieses Leben. Natur und Gesundheit haben mich stets interessiert. Deshalb habe ich mich auch zur Naturheilpraktikerin ausbilden lassen und ich arbeite viel mit Kräutern. Ich will den Menschen die Heilschätze der Natur vertraut machen und zeigen, wie sie sich selber helfen können.»

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