Menschen

Alf Arnold

"Der Chef kam persönlich und nahm den Preis entgegen"
Alf Arnold, geboren 1950 in Altdorf UR, hat die Geschäftsstelle der Alpen-Initiative von 1995 bis 2014 geleitet. Seine Fachkenntnisse sind legendär. Von 2008 bis 2016 politisierte er für die Grünen im Urner Kantonsparlament, nachdem er früher schon vier Jahre als Vertreter des Kritischen Forums Uri im Kantonsparlament sass.

«Wie wir auf die Idee gekommen sind, einen Teufelsstein für unsinnige Transporte zu vergeben, weiss ich nicht mehr genau. Aber das Thema beschäftigte uns bei der Alpen-Initiative schon lange. Also suchten wir nach guten Beispielen, um den Leuten die Absurdität vieler Warentransporte zu veranschaulichen. Auf die Rahmdosen sind wir – wenn ich mich richtig erinnere – über eine kleine Zeitungsnotiz gestossen. Wie kann man nur auf die Idee kommen, Schweizer Rahm nach Belgien und Italien zu fahren, um ihn dort als Schlagrahm in Dosen abzufüllen und wieder hierher zu karren? Das war unser erster Teufelsstein, der 2002 an die Molkereien AZM in Suhr und ELSA in Estavayer ging. Wir nannten diesen Rahm den «Schäm-dich-Rahm». Er entsprach unserem dreiteiligen Konzept des Vermeidens von unnötigen Transporten, des Vermindern von Fahrten und des Verlagerns der Güter auf die Schiene.

Inspiriert war der rote Teufelsstein von der Aktion von 2000, als die Alpen-Initiative den Teufelsstein in Göschenen mit rotem Tuch verhüllte. Bei der Preisübergabe standen Aktivisten mit übergrossen Rahmdosen, gefertigt aus Holz, vor den Gebäuden der Molkereien. Es war nicht ganz einfach gewesen, Leute zu finden, da wir den Preis an einem Arbeitstag übergeben wollten. Ich habe an der Tür in Suhr dann einfach geläutet. Der Chef kam persönlich und nahm den Preis entgegen – irgendwie machte er gute Miene zum bösen Spiel. Wir hatten Spass und es war eine sehr angenehme Aktion, da hatten die Firmen noch keine rigorosen Sicherheitsdispositive und sie drohten auch nicht, uns wegen Hausfriedensbruch zu verklagen.

Im gleichen Jahr haben wir die Rahmdosen umgezimmert zu Kerzen, die dann im Herbst in Airolo an den schweren Unfall im Gotthardtunnel von 2001 erinnerten. Die Schwierigkeit des roten Teufelssteins lag immer darin, unsinnige Transporte handfest belegen zu können – das präsentieren einem ja die Firmen nicht freiwillig. Es ist auch nicht ganz einfach, zwischen sinnvollen und sinnlosen Transporten zu unterscheiden, es gibt da keine klare Grenze. Ich glaube aber, dass diese Schmähpreise eine Langzeitwirkung haben und die Menschen im Hinterkopf gespeichert haben, dass es viele solche sinnlosen Transporte gibt – auf der Strasse, aber auch auf der Schiene, in der Luft oder auf den Weltmeeren.

Den Teufelsstein hatten wir natürlich nicht zufällig gewählt. Seit den Anfängen der Alpen-Initiative setzten wir auf symbolische Orte oder Dinge, die den Leuten vertraut sind. Das war bei der Lancierung der Initiative in der Schöllenenschlucht so, aber auch später bei den vielen Aktionen oder etwa beim Alpenfeuer, das an die traditionellen Mahnfeuer und das 1.August-Feuer erinnert. Solche Symbole braucht es, um in den Medien und bei den Menschen die nötige Aufmerksamkeit zu wecken. Der Teufelsstein passt zudem bestens zur Problematik des Transitverkehrs. Als die Schweiz in den 1970er-Jahren den Strassentunnel am Gotthard baute, musste der Felsbrocken weg, weil er mitten auf der vorgesehenen Trasse lag. So ist er auch zu einem Mahnmal gegen den Transitverkehr geworden. Zum Glück wagte man es damals nicht, ihn einfach zu sprengen.

Es ist aber leider zu befürchten, dass wegen der Globalisierung der Wirtschaft und der fortschreitenden Arbeitsteilung künftig noch mehr transportiert wird und die Wege noch länger werden. Da frage ich mich manchmal: Was haben wir erreicht? Immerhin hat die Schweiz heute mit der LSVA für Lastwagen ein Instrument, um die Verlagerung der Gütertransporte von der Strasse auf die Schiene zu fördern. Zudem nimmt die Zahl der alpenquerenden Lastwagen seit ein paar Jahren ab – ganz im Gegensatz zur Situation am Brenner zwischen Österreich und Italien. Und würde die Alpen-Initiative nicht ständig an den Verlagerungsauftrag erinnern, würde der Bund wohl längst den Schienenverkehr nicht mehr so stark finanziell unterstützen wie er es heute noch tut.

Schön wäre es, wenn die Schweizer Verlagerungspolitik stärker auf die anderen Länder im Alpenbogen abfärben würde. Solange aber das Transportieren so unglaublich billig ist, überlegen viele Unternehmen gar nicht, wie sie ihr benötigtes Material sinnvoller in der Nähe besorgen könnten.»

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