Menschen

Christa Mutter

«Manchmal muss man die Konfrontation suchen, manchmal verhandeln»
Christa Mutter, geboren 1960 in Niederwald im Goms und dort aufgewachsen, war schon bei der Vorbereitung der Alpen-Initiative dabei. Sie sass während Jahren im Vorstand, heute ist sie im Alpenrat aktiv. Sie arbeitete lange als Journalistin. Sie lebt heute in Fribourg und ist seit 2001 freischaffend unterwegs in den Bereichen Umwelt, Energie und Kommunikation. Sie politisiert im Freiburger Kantonsparlament.

«Wir hatten die Abstimmung gewonnen und ein paar Jahre Politik gemacht. Da kam die Idee auf, das Image der Alpen-Initiative etwas anzupassen. Das war 2005. Sollten wir weiterhin mit Schwarz-Weiss-Kopien in der Bundesverwaltung oder im Ausland für unser Anliegen werben? Nein, wir wollten die Verpackung aufmöbeln, damit die Inhalte ernst genommen werden. Deshalb entwarfen wir eine Imagebroschüre, in der wir sauber und attraktiv darlegen konnten, wer wir sind und welche Ideen wir haben. Dabei wollten wir auch die Schönheit der Alpen zeigen, die es zu schützen und als Lebensraum zu erhalten gilt – deshalb die besondere Bildsprache mit Bergfotos im A3-Format.

Es gab schon damals zwei Argumentationslinien innerhalb der Alpen-Initiative. Jene, die betont, wie böse der Bundesrat ist und wie schlecht er den Verfassungsauftrag umsetzt. Und jene, die hervorhebt, dass eine Mehrheit der Bevölkerung hinter uns steht und wir eine neue Verkehrspolitik entworfen haben, die in ganz Europa wahrgenommen wird.

Ich gehörte und gehöre zu jenen, welche die geniale Verlagerungsidee und die Erfolgsgeschichte der Alpen-Initiative erzählen wollen. Das haben wir, die Geschäftsstelle, eine teure Kommunikationsagentur, ein genialer Walliser Fotograf und ich, dann auch in der Imagebroschüre getan. Es sollte auch ein Bundesrat das Vorwort schreiben, schliesslich stehen unsere Ideen seit 1994 in der Verfassung. Moritz Leuenberger, damals Verkehrsminister, willigte ein. Er lieferte dabei den viel zitierten Satz, dass der Verein Alpen-Initiative der ständige Stachel im Fleisch der schweizerischen Verkehrspolitik sei.

Widerstände gegen die Imagebroschüre, aufgelegt in vier Sprachversionen, gab es intern nicht, nur beim Budget setzte es einige Diskussionen ab. Aber immer, wenn die Alpen-Initiative etwas wirklich wollte, sei es eine Studie, ein Fest, eine grosse Kampagne oder eine Aktion, konnte sie das nötige Geld auftreiben – also ich staune immer wieder, wie konsequent uns die Leute bis heute unterstützen. Die Imagebroschüre wurde zu einem der Türöffner, wenn wir beim Bund, bei den SBB und BLS sowie an Konferenzen im Ausland unsere Ideen vorstellen konnten.

Bei alledem blieb der Urgedanke unserer Organisation erhalten: Wir haben Profis in der Geschäftsstelle sowie Aktivistinnen und Aktivisten aus allen Landesteilen, die uns ehrenamtlich unterstützen. Wenn man in einem Konkordanzsystem politisch etwas erreichen will, muss man gute Kontakte in die Verwaltung aufbauen. Die offiziellen Gespräche waren natürlich etwas formell mit Anmelden, Kontrollen, Ausweise zeigen und Warten im Vorzimmer. Aber solche Pflichtbesuche braucht es zur Beziehungspflege, und zwischendurch liefen gute informelle, fachliche Kontakte. Die Alpen-Initiative war wohl eine der ersten Organisationen, die regelmässig das Gespräch mit der Bundesverwaltung gesucht hat.

Als Doris Leuthard dann Verkehrsministerin wurde, war sofort klar, dass sie und die Alpen-Initiative nicht auf der gleichen Seite stehen. Die zweite Gotthardstrassenröhre stand wie der Elefant im Raum. Wir fanden den Zugang nicht, da hätten wir wohl einiges anders machen können. Wenn man als politische Organisation über Jahrzehnte tätig ist, muss man in den jeweiligen Situationen abwägen, wie man vorgehen will. Manchmal muss man die Konfrontation suchen, manchmal verhandeln. So war es aus meiner Sicht richtig, dass wir 1999 nicht per Referendum gegen das Verkehrsverlagerungsgesetz zur Alpen-Initiative protestierten – obwohl dieses den Wortlaut des Verfassungsartikels uminterpretierte.

Weil der Bundesrat aber den Verfassungsauftrag nie wirklich umgesetzt hat, diskutierte die Alpen-Initiative später, ob wir eine zweite Initiative lancieren sollten, also eine Durchsetzungsinitiative – diese Idee hatten wir lange vor der SVP. Wir entschieden aber klar, dass wir schon einen Verfassungsartikel und eine Volksmehrheit haben, mehr konnten wir nicht erreichen. Mit einer zweiten Initiative hätten wir riskiert, unser Anliegen abzuschwächen. Für mich war die Alpen-Initiative auch persönlich und beruflich sehr wichtig. Ich habe viele Kontakte über Jahrzehnte behalten und ein grosses Netzwerk aufbauen können. Campaigning, das seither Teil meiner Arbeit ist, habe ich bei der Alpen-Initiative gelernt.»

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