Menschen

Andreas Weissen

«Beim Wandern schöpften wir Kraft und knüpften ein Netz für den Abstimmungskampf»
Andreas Weissen wurde 1957 in Brig im Wallis geboren, wo er heute noch lebt. Er betreibt zurzeit ein Berggasthaus in Heiligkreuz im Binntal und ist oft als Sagenerzähler unterwegs.
Er war Gründungsmitglied sowie langjähriger Präsident und Vize-Präsident der Alpen-Initiative. Heute ist er Ehrenpräsident.
Er hat die Unterschriftensammlung der Alpen-Initiative organisiert und die Abstimmungskampagne koordiniert. Auch bei den Kampagnen für die Einführung der LSVA, gegen den Avanti-Gegenvorschlag und gegen die 2. Gotthardröhre wirkte er mit.

«Die erste Wanderung der Alpen-Initiative führte 1990 vom Grossen Sankt Bernhard zum Mont Cenis. Da mussten wir noch mit drei Währungen arbeiten, mit Schweizer Franken, mit französischen Francs und mit italienischer Lira. Wir waren zwischen zehn und fünfzehn Leute. Am zweiten Tag haben wir uns verirrt, wir hatten die Route vorher nicht abgelaufen. So kamen wir erst in der Nacht in Courmayeur an. Später haben wir selbstverständlich alle Touren rekognosziert.

Beim Wandern schöpften wir Kraft und knüpften durch persönliche Kontakte ein Netz für den Abstimmungskampf. Viele der Mitwandernden spielten denn auch im Abstimmungskampf 1994 eine wichtige Rolle, indem sie in den Regionen für die Alpen-Initiative warben. Die ersten Wanderungen fanden in der Nähe von Transitrouten statt. Später waren wir vor allem in sehr schönen, intakten Regionen unterwegs, so auch im Binntal, wo ich heute noch Wanderungen anbiete. Im Ausland waren wir oft in Pärken; bei unser ersten Wanderung zum Beispiel im Parc national de la Vanoise. Nach zwanzig Jahren haben wir die erste Wanderung wiederholt. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sich viel verändert hat. Verlaufen haben wir uns nicht mehr.

Für mich geht es in den Alpen nicht nur um den Verkehr, sondern auch um die Berglandwirtschaft und den Tourismus sowie um kulturelle Aspekte wie Sprachen, Dialekte, Sagen oder die lokale Geschichte. Sie machen die Alpen zusammen mit der Natur und Kulturlandschaft zu einem vielfältigen und wertvollen Lebensraum. Seit meiner Jugend engagiere ich mich für die Erhaltung dieses Erbes. Der leider verstorbene Kollege bei der Alpen-Initiative, Armin Braunwalder, hat einmal geschrieben, ich sei von Kopf bis Fuss auf Alpen eingestellt. Ja, das stimmt, ich bin ein homo alpinus vulgaris – im Wallis verwurzelt und gleichzeitig stark international ausgerichtet. So habe ich 1995 die Organisation ITE, Initiative Transport Europe, mitbegründet, war neun Jahr lang Präsident der Alpenschutzkommission CIPRA und bis vor kurzem Schatzmeister des Netzwerks alpiner Schutzgebiete ALPARC. Ausserhalb Europas war ich selber noch nie.

Bei der Alpen-Initiative machte ich von allem Anfang an mit. Die Einladung für das erste Treffen 1987 in Andermatt, aus dem die Alpen-Initiative hervorging, habe ich verfasst. Die Umweltorganisationen WWF und VCS distanzierten sich damals von unserer Idee. Der bekannte Staatsrechtler Alfred Kölz fand sie hingegen gut und schrieb sein Gutachten zum Verfassungstext auf die Rückseite eines Tischsets – nein, es war kein Bierdeckel, es war ein Tischset. Wir haben lange diskutiert, wie der Titel der Volksinitiative lauten soll. «Stopp Transit» und andere Varianten haben wir verworfen. Uns war immer klar, dass wir die Alpen zum Thema machen müssen. Mit dem Begriff «Alpen» im Titel haben wir das Positive betont.

Mit den Alpenfeuern haben wir zudem einen Anlass geschaffen, der zeigt, wie wunderbar, aber auch sensibel die Alpen sind – und es können gleichzeitig pyromanische Neigungen ausgelebt werden. Im Abstimmungskampf haben wir alles in Bewegung gesetzt. Wir machten einen Argumententest, wir haben nach Botschaftern für unser Anliegen gesucht, wir haben Vorschläge von Kommunikationsbüros eingeholt – aber uns nicht sklavisch daran gehalten, sondern manchmal genau das Gegenteil gemacht. Und es funktionierte.

Dann war die Arena-Sendung mit Adolf Ogi. Wir wollten ihn verunsichern, indem wir niemanden schickten, den er gut kannte. Und wir wollten ihm andere Bergler-Dialekte entgegenhalten und zeigen, dass er nicht der einzige Vertreter aus den Alpen ist. Das ist uns mit Hansruedi Stadler und Andrea Hämmerle sehr gut gelungen.

Mit Adolf Ogi konnte man übrigens bestens streiten, da er immer ein grundehrlicher Mensch blieb und mit Herzblut für die Verlagerung des Güterverkehrs kämpfte. Das kann man von Bundesrätin Doris Leuthard nicht sagen. Ihr war das Berggebiet schnuppe, ja schlimmer noch, sie griff tief in die Trickkiste, um den Bau der zweiten Strassenröhre am Gotthard zu ermöglichen. So etwas hätte ich von einer Politikerin, die auf die Verfassung geschworen hat, nie und nimmer erwartet. Und das Volk kroch ihr auf den Leim. Für mich war der Abstimmungssonntag zur Gotthardröhre der einzige schwarze Tag im Leben der Alpen-Initiative.»

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