Menschen

Fabio Pedrina

«Es fehlt nur der politische Wille, die Alpentransitbörse umzusetzen»
Fabio Pedrina, Jahrgang 1954, war von 2000 bis 2014 Präsident der Alpen-Initiative. Von 1999 bis 2011 vertrat er das Tessin im Nationalrat. Er lebt seit Geburt in Airolo und betreibt ebenda mit seiner Frau ein Büro für Architektur und Raumplanung. Zudem ist er Verwaltungsrat der SBB.

«Die Idee einer Alpentransitbörse ist aus einer Notsituation heraus entstanden. Im Oktober 2001 verursachte ein alkoholisierter Lastwagenfahrer einen schweren Unfall im Gotthard-Strassentunnel. Zwei Lastwagen gerieten in Brand, elf Menschen verloren ihr Leben in dem giftigen Rauch. Das Postulat trug den Titel «Mehr Nachdruck bei der Regulierung des Alpentransitverkehrs und der Verlagerung der Güter von der Strasse auf die Bahn». Der Unfall bot politisch die Chance, mit einer guten Idee viel zu erreichen bei der Sicherheit auf den Strassen und beim Alpenschutz.

Wir organisierten eine Medienkonferenz in Zürich, parallel zu einem Treffen der Verkehrsminister der Alpenländer. Wir forderten grosse Sicherheitsabstände für Lastwagen. Das hätte die Kapazität des Tunnels stark verringert und die Durchfahrten reduziert. Dieses Problem der Verknappung, respektive der zahlenmässig beschränkten Durchfahrten galt es zu lösen – am Flughafen spricht man von Slots. Gemäss unserem Konzept würden die Durchfahrten versteigert. Ich habe das in einem zweiseitigen Papier dargestellt.

Erst Jahre später haben wir gemerkt, dass es schon Anfang der 1990er-Jahre ähnliche Pläne gab, die vom St. Galler Nationalrat und Ökonomen Franz Jäger stammten. Wir haben die Idee mit Verkehrs- und Logistikexperten diskutiert und vertieft. Sie wurde meist gut aufgenommen und als wichtiges, marktwirtschaftliches Instrument erkannt. Heute ist die Alpentransitbörse im Gesetz verankert, der Bundesrat muss mit den umliegenden Ländern verhandeln. Aber aktuell steht eher das Modell Toll Plus im Vordergrund, das der Alpentransitbörse nicht unähnlich ist. Ich sage: Es fehlt nur der politische Wille, die Alpentransitbörse umzusetzen.

2007 hat die Alpen-Initiative vom Bundesamt für Energie den Prix Watt d’Or für die Idee der Alpentransitbörse erhalten. Ich war Präsident und durfte den Preis in Bern entgegennehmen. Wie dieser Preis ausgesehen hat? Ich weiss es nicht mehr, ah doch, es war diese grosse Wasserkugel auf einem Sockel. Dass sie inzwischen zerbrochen ist – ach, es ist schon Schlimmeres passiert. Ich glaube, dass dieser Preis dazu beigetragen hat, dass die Alpentransitbörse schliesslich in der Botschaft des Bundesrats und dann im Güterverkehrsverlagerungsgesetz aufgenommen worden ist. Es war ja kein Frontalangriff auf den Transitverkehr, eher ein Seitenangriff. Niemand wagte es zu sagen, dass die Idee ein kompletter Unsinn sei, der Preis bewies ja, dass das Konzept valabel ist.

Leider hat das Parlament der Forderung nach einer Alpentransitbörse abgeschwächt, indem es die Bedingung stellte, dass sich die Schweiz mit der EU absprechen muss. Bis jetzt aber gibt es keine bessere Idee, den alpenquerenden Güterverkehr auf der Strasse einzudämmen und entsprechend zu managen. Die Österreicher sind mit ihrem Ökopunkte-System gescheitert, auch die Fahrverbote für gewisse Transporte, die das Land Tirol erlassen hat, greifen nur beschränkt und können das Problem nicht lösen. Heute müsste man die Alpentransitbörse wohl mit einem C02-Element verbinden und in einen Massnahmenplan zum Klimaschutz einbauen.

Ich habe als Präsident der Alpen-Initiative die Alpentransitbörse einige Male im Ausland präsentieren können. Wir wollten ja immer den Schwerverkehr auf allen Alpenübergangen reduzieren, nicht nur in der Schweiz.

Bei der Alpen-Initiative bin ich seit Anfang an dabei. Ich war ja auch Erstunterzeichner der Volksinitiative. Ich war damals schon in der SP und in meinen Dorf Airolo aktiv, aber ohne im kantonalen oder nationalen Parlament zu sitzen. Mein Engagement für die Alpen-Initiative hat mich im Kanton Tessin bekannt gemacht und hat mir sicher bei der politischen Karriere und der Wahl in den Nationalrat geholfen. Auch dass ich Verkehrspolitiker wurde, hat klar mit der Alpen-Initiative und den Transitverkehr zu tun, den ich ja vor der Haustür bis heute erlebe.

Im Herbst 1993, also kurz vor der Abstimmung, habe ich mit einem Freund das Matterhorn bestiegen und dort ein Transparent mit dem Logo der Alpen-Initiative entrollt. Wir sind nicht auf den Gipfel geflogen wie Pirmin Zurbriggen, der 2018 auf dem Gipfel für Olympia 2026 in Sion warb. Aber er ist ja dann auch mit seinem dem Projekt gescheitert. Nicht wie wir mit der gewonnenen Abstimmung von 1994.»

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