Mathias Reynard, geboren 1987 im Wallis, vertritt seit 2011 die SP im Nationalrat. Er hat in Lausanne studiert, lebt in St-Germain und unterrichtet heute an der Sekundarschule in Savièse. In vielen Organisationen ist er unentgeltlich aktiv. Seit 2012 ist er Vorstandsmitglied der Alpen-Initiative.
«Ich mache Politik, um die Dinge zu verändern. Und Politik wird oft auf der Strasse gemacht. So zum Beispiel bei dieser Prostestaktion auf dem Simplonpass im Frühjahr 2018. Für eine solche Aktion braucht es immer engagierte Leute, Leute wie jene von der Alpen-Initiative. Ich mag diesen Aktivismus, wenn sich die Menschen gemeinsam gegen etwas wehren und sich für gute Ziele einsetzen. Da mache ich gerne mit.
Das grosse Warnschild «Stop toxique» im Schnee neben der Simplonpassstrasse wirkte gut und war eindrücklich. Die Medien haben breit darüber berichtet. Ich selber konnte nach meiner Rede einige Interviews geben, sowohl bei deutschsprachigen Medien im Oberwallis als auch in Medien des französischsprachigen Unterwallis. Das sind praktisch zwei getrennt Welten.
Ich habe festgestellt, dass viele Walliserinnen und Walliser gar nicht wussten, dass der Simplon die einzige Route durch die Schweizer Alpen ist, auf der gefährliche Güter transportiert werden dürfen. Das ist sehr riskant, denn die Strasse hat ein starkes Gefälle und viele Kurven. Ich denke, dass nach dieser Aktion das Wallis definitiv für diese Fragen sensibilisiert ist, auch in der Forderung nach Lastwagen-Kontrollzentren direkt beim Simplon. Zwar hat der Bund in den letzten Jahren ein paar Sicherheitsmassnahmen ergriffen, aber das genügt bei weitem nicht. Es ist sogar kontraproduktiv, denn jetzt glauben viele, dass sie bedenkenlos noch mehr gefährliche Güter über den Pass fahren können – und genau das wollen wir nicht.
Wir kämpfen ja nicht nur für die Verlagerung der Gütertransporte auf die Schiene und für bessere Luft in den Alpen, es geht uns auch um die Sicherheit. Die Gefahr, die von solchen Transporten ausgeht, könnte man im Übrigen durch ein Verbot bannen. Ich habe mit Vertretern der Lonza gesprochen, diesem wichtigen Arbeitgeber im Wallis. Sie sagen, dass ein solches Verbot für sie kein grosses Problem darstelle, man könne sich durchaus arrangieren.
Ich empfinde es als Chance und als Glück, in den Bergen leben zu können. Aber ich wusste immer, dass die Alpen ein sensibles Ökosystem sind, deshalb habe ich mir schon früh Sorgen um den Schutz der Alpen gemacht. Als ich 2011 in den Nationalrat gewählt wurde, fragte mich der damalige Präsident und ehemalige Nationalrat Fabio Pedrina an, ob ich nicht im Vorstand der Alpen-Initiative mitmachen wolle. Ich sagte zu und bin geblieben, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Organisationen. Die Atmosphäre ist gut, alles ist immer bestens organisiert und ich erhalte dank der Mitarbeitenden wertvolle Informationen und Hinweise.
Zuvor hatte ich mich vor allem bei Fragen der Bildung, der Gewerkschaften und der Menschenrechte eingesetzt. Dass ich mich seit meinem Mandat im Nationalrat direkt auch um Verkehrsfragen kümmere, hat mir erlaubt, meine Kompetenzen zu erweitern in einem Thema, das die Bevölkerung direkt berührt. Mit der Aktion am Simplon wurde ich auch im Oberwallis bekannter. Gleichzeitig finde es wichtig, dass sich auch die Westschweiz um den Alpenschutz kümmert. Das haben wir 2016 bei der Abstimmung über die zweite Gotthardröhre erlebt, bei der die Westschweizer Kantone gegen den Ausbau stimmten.
Ich weiss, in der Politik geht alles langsam, nicht nur bei der Verlagerung. Aber wir können doch immer wieder Erfolge feiern, etwa mit der Entwicklung, dass die Zahl der alpenquerenden Lastwagen stetig abnimmt – wenn auch nicht am Simplon. Solche Erfolge machen mir Mut. Ich lebe in den Bergen und fühle mich als Vertreter der Alpen, aber auch als Vertreter eines Dorfs. Ich bin in St-German / Savièse aufgewachsen und lebe auch heute noch hier.
Was ich nicht verstehe: Die Schweiz hat es bis jetzt nicht fertiggebracht, ein wirksames CO2-Gesetz zu erarbeiten. Das Parlament nimmt hier seine Verantwortung nicht wahr. Es ist zudem erschreckend, dass sich nicht einmal alle Vertreter aus den Bergen für scharfe Massnahmen einsetzen, denn es sind die Berge, die am stärksten unter dem Klimawandel leiden – ich denke da an die schwindenden Gletscher, die Bedeutung des Tourismus, die Gefahren von Steinschlag und Überschwemmungen.
Also ich bin keiner Firma politisch verpflichtet, ich bin unabhängig und will es bleiben. Deshalb sitze ich auch in keinem Verwaltungsrat, der seine Mitglieder finanziell entschädigt. Ich sage: Man muss gewisse Prinzipien haben.»