Renate Zauner wurde 1970 in Haag am Hausruck zwischen Salzburg und Linz geboren. Sie hat in Wien ein Studium zu Landschaftsplanung und Landschaftspflege abgeschlossen und arbeitet heute als Dolmetscherin und Übersetzerin. Sie war zwischen 1998 und 2000 bei der Alpen-Initiative angestellt und dann während mehrerer Jahre Präsidentin der Organisation ITE (International Transport Europe). Zu ihren Markenzeichen gehörte es, immer barfuss unterwegs zu sein.
«Die Idee, mit dem Maultier Bellina durch die Schweiz zu ziehen, kam meinem damaligen Partner Michael Tanner und mir in Südfrankreich. Wir hatten von der Abstimmung zum Avanti-Gegenvorschlag gehört und wollten uns wehren. Dieses Strassenbauprogramm war doch absurd. Die Tour starteten wir im Dezember 2003 in Le Locle im Neuenburger Jura. Ich erinnere mich gut an die Kälte und den Schnee. Tageweise wanderten auch andere mit uns. Beherbergt wurden wir immer von Leuten, die die Alpen-Initiative unterstützten. Für unser Maultier, das Michael gehörte, stand jedes Mal ein Stall bereit. Es war wunderbar, diese Solidarität zu erleben.
Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und hatte im Sommer 2002 auf der Alp ausgeholfen, auf der Michael mit dem Maultier war. Er ist dann mit Bellina nach Südfrankreich gewandert – ausgewandert. Unsere Tour durch die Schweiz endete am 31. Januar 2004 in Altdorf. Wir hatten die ganze Strecke zu Fuss zurückgelegt, Flugblätter verteilt und kamen – grossteils Teil dank Bellina – mit vielen Menschen ins Gespräch. Die Leute begegneten uns sehr freundlich. Viele fühlten sich meinem Eindruck nach als Teil von etwas Grossem – als Teil des Widerstands gegen ein unsinniges Bauprogramm – und waren irgendwie stolz, dass wir mit Bellina bei ihnen Halt machten. Auf der Tour sagte ich in einem Interview, nicht das Maultier sei störrisch, sondern das Parlament.
Ich will den Menschen und ihren Anliegen eine Stimme geben, gerade jenen, die man sonst nicht hört. Genau das haben wir mit dieser Tour versucht. Ich bewundere Menschen, die sich wehren, auch wenn das überhaupt nicht auf Gegenliebe stösst. Bürgerinitiativen in Regionen, die vom Transitverkehr stark betroffen sind, finde ich ohnehin toll. Es ist doch etwas ganz anderes, ob man sich als Einzelne gegen einen Missstand wehrt oder ob man das zusammen in einer Gruppe tut – auch Behörden und Polizei begegnen einem anders, wenn sich die Leute in einer Bürgerinitiative organisieren, das habe ich selber mehrmals erfahren.
Stark engagiert habe ich mich auch im Dachverband ITE, Initiative Transport Europe. Dabei habe ich versucht, die vom Transitverkehr betroffenen Menschen über die Landesgrenzen hinweg zu vernetzen. Das war nicht einfach. Ich erinnere mich an eine Sitzung, da hat ein Franzose ganz lange geredet, ich habe übersetzt und eine Österreicherin hat dann zwar verstanden, was er gesagt hatte, aber nicht, warum er so lange über diesen Punkt geredet hat – ja, die Kulturen im Alpenraum sind wirklich verschieden.
Ich habe auch an Widerstandsaktionen in verschiedenen Alpentälern teilgenommen, auch am Mont Blanc. Es ging immer darum, den Unmut der vom Transitverkehr Betroffenen hörbar und sichtbar zu machen. Als die Schweiz 1994 über Alpen-Initiative abstimmte, habe ich in Wien studiert und nichts davon mitgekriegt. Aber ich hatte mich in Österreich bereits gegen Transitverkehr und Atomkraftwerke engagiert. Ich war schon damals sehr ökologisch eingestellt. Zur Alpen-Initiative bin ich 1998 gekommen, weil ich ein Jahr zuvor Andreas Weissen kennengelernt hatte. Er flog wie ich aus Umweltgründen nicht mit dem Flugzeug, das war mir sympathisch, also bewarb ich mich um die freie Stelle.
Für mich ist es sehr wichtig, dass ich nur Dinge mittrage, die ich auch mit meinem Gewissen vereinbaren kann. Das liegt unter anderem daran, dass meine Familie eine Nazi-Vergangenheit hat – ein Grossvater war Mitglied der NSDAP. Ich will keine Mitläuferin sein und mir ist extrem wichtig, Verantwortung für meine Handlungen zu übernehmen. Als ich bei der Alpen-Initiative in Brig arbeitete, kam ich zuerst bei einem Ehepaar unter, dass sich in der Alpen-Initiative engagierte. Als die Alpen-Initiative dann akzeptierte, dass man aus politischem Kalkül die maximale Zahl der alpenquerenden Lastwagenfahrten auf einem viel höheren Niveau fixierte, als das zum Zeitpunkt der Alpen-Initiative tatsächlich der Fall gewesen war, kündigte ich die Stelle. So bin ich halt.»